Nachdem J.-M. G. Le Clézio letztes Jahr den Literatur-Nobelpreis bekommen hat, sollte man vermutlich auch mal was von ihm lesen. Und um den Menschen Le Clézio besser zu verstehen, liegt es eventuell doch nahe, das Buch zu lesen, das er über seinen Vater geschrieben hat. Nun also mehr über den "Afrikaner".
Le Clézio's Vater war fast sein ganzes Leben lang Arzt in Afrika - vor allem während des zweiten Weltkrieges auch unter ziemlich harten Bedingungen. Seine Familie lebte lange Zeit getrennt von ihm, bis er nach Kriegsende seine Frau und die beiden Söhne nach Westafrika holte. Le Clézio war damals acht Jahre alt und hatte seinen Vater zuvor noch nie gesehen. Die Begegnung der Kinder mit ihrem Vater war für sie nicht einfach - die Kriegsjahre hatten den Vater stark verändert und geprägt. Aus dem einstmals frisch verliebten und ambitionierten Tropenarzt, der die Afrikaner, ihr Land und das Leben dort anscheinend wirklich geliebt hatte, ist durch die viele Einsamkeit und die Arbeit in einfachsten Verhältnissen ein strenger Mann geworden, dessen Verhalten nicht leicht nachvollziehbar sein mag.
Wer in diesem Buch eine komplette Lebensgeschichte des Vaters erwartet, wird sicherlich enttäuscht. Es geht hier eher darum, das Verhalten des Vaters verständlich zu machen - was aber durchaus gelungen ist. Wer ein kleines Faible für Afrika hat, der wird die Beschreibungen der Dörfer und Landschaften lieben, der wird nachvollziehen können, welche Eindrücke diese Zeit bei Vater und Sohn hinterlassen hat, welche Bindung die beiden (natürlich jeder auf seine eigene Art) zu Afrika haben - und der wird Lust bekommen, mehr von Le Clézio zu lesen. So geht es mir zumindest - ich werde mich jetzt auf den Goldsucher und Onithsa freuen!
Jean-Marie Gustave Le Clézio
Der Afrikaner
Hanser Verlag 2007
ISBN 978-3446209480